© TMB-Fotoarchiv / Steffen Lehmann

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auf eine Reise in das Oderbruch

Adonisröschen und Bischöfe im Lebuser Land

Episode 13 der Reise durch die Kulturerbe-Orte

13. Mai 2022

Im Frühjahr jedes Jahres zieht es hunderte Naturliebhaber, die sich von den blühenden Adonisröschen verzaubern lassen wollen, an die Oderhänge bei Lebus. Die dortigen Adonishänge sind überregional bekannt. Bereits 1921 wurden sie unter Naturschutz gestellt und sind damit das zweitälteste Naturschutzgebiet in Brandenburg. Ohne Landschaftspflegemaßnahmen könnten die seltenen Vorkommen dieser Steppenpflanze nicht erhalten werden. Deshalb organisiert der Lebuser Heimatverein in Zusammenarbeit mit der NABU-Stiftung, der Regionalgruppe der Naturfreunde „Lebuser Land“ und engagierten Bürgern die Pflege der Oderhänge.

Blick auf Lebus von einer Erhöhung© Oderbruchmuseum / Michael Anker

Der Lebuser Heimatverein kümmert sich nicht nur um die Adonishänge, er betreibt auch den Kulturerbe-Ort „Haus Lebuser Land“. Das kleine Heimatmuseum sammelt und präsentiert die eigene Regionalgeschichte. In einer Dauer- und wechselnden Themenausstellungen werden Besuchern die Höhepunkte der langen Historie des Ortes an der Oder gezeigt. Erste Besiedlungen und die Befestigung des Burgberges gehen auf die Zeit 1100 v.Ch. zurück. Die Lebuser Wehranlage, gehört damit wohl zu den ältesten und größten bekannten Befestigungen im mitteldeutschen Raum. Es wird angenommen, dass Lebus damals das wohl bedeutendste überregionale Kultur- und Handelszentrum im Bereich der mittleren Oder war. Erstmalig im Jahr 1109 urkundlich erwähnt, erhielt Lebus 1226 das deutsche Stadtrecht. Bereits etwa einhundert Jahre zuvor gründete der polnische Herzog Boleslaw III. Krzywousty das polnische Bistum Lebus. Lange Zeit bestimmte dieses Bistum das Hin und Her der Geschichte an der Oder, bis es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts säkularisiert wurde. Zum Ende jenes Jahrhunderts entstand dort die Domäne Lebus. Wie es mit der Geschichte weitergeht erfährt der Besucher im Lebuser Museum. Doch bevor wir dort eintreten schauen wir bei unserem treuen Reisebegleiter Theodor Fontane nach, was er einst zu Lebus in Erfahrung brachte.

Theodor beschreibt Lebus vom Deck eines Schaufelraddampfers aus, als er die Oder stromabwärts reist. Eine Fahrt die durchaus ihre Tücken haben konnte, denn schon damals gab es Niedrigwasser und Dampfer fuhren sich fest. „Die Regulierung des Oderbetts, ein in den Zeitungen stehend gewordener Artikel, würde diesem Übelstande vielleicht abhelfen und eine Konkurrenz der Dampfschiffe mit der Eisenbahn möglich machen“, schreibt unser Chronist bereits 1863. Eine Zustandsbeschreibung die sich aktuell wieder in den Zeitungen nachlesen lässt. Zudem mussten sich damals Schiffer mit „polnischen, oder böhmisch-oberschlesischen Holz-Flößern“ den Fluss teilen. Wenn wir Fontane glauben wollen, liefen diese Begegnungen selten ohne Reibereien zwischen den beiden Berufsgruppen ab.

„Zwischen Frankfurt und Stettin ist während der Sommermonate ein ziemlich reger Dampfschiff-Verkehr. Schleppschiffe und Passagierboote gehen auf und ab und die Rauchsäulen der Schlote ziehen ihren Schattenstrich über die Segel der Oderkähne hin, die oft in ganzen Geschwadern diese Fahrt machen. … Die Passagierboote gehen von Frankfurt aus zweimal wöchentlich, Mittwoch und Sonnabend, und machen die Fahrt nach Küstrin in zwei, nach Schwedt in acht, nach Stettin in zehn Stunden.“ Als Fontanes Dampfer in Lebus anlegt hat der Dichter kurz Gelegenheit, die „alte Bischofsstadt“ zu betrachten. „Freilich erinnert hier nichts mehr an die Tage früheren Glanzes und Ruhmes. Die alte Kathedrale, das noch ältere Schloß, sie sind hin, und eines Lächelns kann man sich nicht erwehren, wenn man in alten Chroniken liest, daß um den Besitz von Lebus heiße Schlachten geschlagen wurden, daß hier die slawische und die germanische Welt, Polenkönige und thüringische Herzöge, in heißen Kämpfen zusammenstießen, und daß der Schlachtruf mehr als einmal lautete: »Lebus oder der Tod«.
Dem kleinen Ort dichtet er den „malerischen Charakter eines Winzerstädtchens“ an und tatsächlich hat sich Lebus davon viel erhalten. „Die Stadt, so klein sie ist, zerfällt in eine Ober- und Unterstadt. Jene streckt sich, so scheint es, am First des Berges hin, diese zieht sich am Ufer entlang und folgt den Windungen von Fluß und Hügel. Zwischen beiden, am Abhang, und wie es heißt an selber Stelle, wo einst die alte Kathedrale stand, erhebt sich jetzt die Lebuser Kirche, ein Bau aus neuer Zeit. Die »Unterstadt« hat Höfe und Treppen, die an das Wasser führen; die »Oberstadt« hat Zickzackwege und Schluchtenstraßen, die den Abhang bis an die Unterstadt herniedersteigen. Auf diesen Wegen und Straßen bewegt sich ein Teil des städtischen Lebens und Verkehrs.“

Ursprünglich war das Heimatmuseum „Haus Lebuser Land“ ein Schulgebäude, später zu Wohnzwecken umgebaut verfiel es langsam. Im Rahmen der Altstadtsanierung konnte es vor dem Abriss gerettet werden und wurde 2005 Sitz des Heimatvereins und Museum. „Die etwa 80 Mitglieder des Vereins organisieren wechselnde Ausstellungen zu regionalen Themen“, sagt Helga Töpfer vom Museumsbeirat. Aber bereits die ständigen Exponate, die vom früheren Leben der Lebuser zeugen, lohnen den Besuch. Die archäologische Ausstellung zum Beispiel informiere über die Ausgrabungsgeschichte und zeige verschiedene Fundstücke. Helga Töpfer führt uns zu dem eigentlichen „Schatz“ des Museums, dem Bronzehortfund, der 2003 auf dem Burgberg entdeckt wurde. Im Museum allerdings sind nur Repliken zu sehen. Der Heimatverein hatte viele Spenden gesammelt, um die teuren, täuschend echt aussehenden Nachbildungen anfertigen zu lassen. Die wertvollen Originale, über 100 Einzelstücke aus der späten Bronzezeit, werden im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg aufbewahrt. Auch ein bei Lebus gefundener Silberschatz wurde kurzzeitig im Museum gezeigt, bevor er unter Verschluss kam. Es kann angenommen werden, dass der Boden in Lebus noch einige Überraschungen bereithält.

Dauerausstellung im Museum© Oderbruch Museum / Michael Anker

Sehenswert ist auch die Dauerausstellung im Dachgeschoss des Museums über das Leben und Werk von Günter Eich (1907-2007). Der in Lebus geborene Schriftsteller und Hörspielautor war Gründungsmitglied der Gruppe 47 (z.B. Heinrich Böll, Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Martin Walser, Günter Grass). Er galt als eine zentrale Figur des bundesdeutschen Literaturbetriebs. Eich schrieb 1951 für eine Hörspieladaption von Fontanes Kriminalerzählung „Unterm Birnbaum“ das Gedicht „Oder, mein Fluß“. Daraus ein Auszug:

Oder, mein Fluß,
In Tropfen sickert es
aus Gebirgen von Zeit,
Wasser, das nach Kindheit schmeckt.
Oder, mein Fluss,
eine Breite, um Holüber zu rufen,

ein November für Regen.
Schleier, über die Rübenäcker gezogen,
nicht unterscheidbar Wiesenufer und Bergufer,
Stimmen auf Buhnen und Treidelweg, 
bei den strähnigen Weiden und Schilfrohr,
Glocken aus Frankfurt 
und die Sagen der Reitweiner Berge,
die Fähre in Lebus 
und das Haus rechts der Oder, wo ich
geboren bin. …

Kulturerbe-Ort: Haus Lebuser Land, Schulstraße 7, 15326 Lebus, 03 36 04-230, www.heimatverein-lebus.de

Weitere Informationen über das Oderbruch Museum und das Kulturerbe im Oderbruch finden Sie hier.

Der Musenhof trägt seinen Namen zurecht, kann sich doch der Oderbruch-Reisende hier einen wunderbaren Moment der Ruhe und Entspannung gönnen, bevor er die Baudenkmale von Kunersdorf besucht. Da wäre die von 1950 bis 1955 erbaute Kirche mit ihrem für die Gegend ungewöhnlichen Kuppeldach, der Schlosspark an dessen Planung möglicherweise Peter Joseph Lenné beteiligt war oder das Erbbegräbnis der Familie von Lestwitz-Itzenplitz. Es wurde nach Plänen von Carl Gotthard Langhans (Brandenburger Tor) im Stil des deutschen Klassizismus entworfen. Die Grabstelen und Urnen wurden unter anderem von Johann Gottfried Schadow, Christian Daniel Rauch, Karl Friedrich Schinkel und Hugo Hagen entworfen.

Kulturerbe-Ort: Dorfstraße 1, 16269 Bliesdorf OT Kunersdorf, 0 33 456 – 15 12 27, www.kunersdorfer-musenhof.de

Weitere Informationen über das Oderbruch Museum und das Kulturerbe im Oderbruch finden Sie hier.

Schlemihls wundersame Geschichte

Wer hätte gedacht, dass sich im Oderbruch weitere Spuren literarischer Hochkultur finden lassen. In Schiffmühle (Episode 4) stießen wir bereits auf die Geschichte des Literaten Theodor Fontane beziehungsweise seines Vaters. Nun erweist sich Theodor erneut als wunderbarer Reiseführer durch die Region. Er führt uns nach Kunersdorf (bis 1945 Cunersdorf), dem er in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ein eigenes Kapitel widmete.

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Eigener Herd ist Goldes wert

Heimatstuben und Dorfmuseen sind die Seelen-Orte des Kulturerbes im Oderbruch und sie sind wahre Zeitkapseln. Über Jahrzehnte, oft noch weit länger sammelten die Menschen dort Gegenstände des täglichen Gebrauchs – natürlich erst wenn sie durch modernere oder neue ausgewechselt wurden – quasi nicht mehr gebraucht wurden. Einige dieser Sammlungen früheren Lebens, früherer Kultur, sind inzwischen Mitglieder im Netzwerk der Kulturerbe-Initiative.

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Seenlandentdecker Michael

freiberuflicher Fotograf und Texter

In meiner Kindheit verbrachte ich viele glückliche Sommer bei meinen Großeltern im Oderbruch. Die Landschaft mit ihrem weiten Blick, die Ruhe und die Faszination des großen Flusses haben mich seitdem nicht mehr losgelassen. Derzeit bin auf der Suche nach den Spuren kulturellen Erbes der Menschen entlang der Oder.

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