© Seenland Oder-Spree / Sandra Haß

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auf eine Reise in das Oderbruch

Was machen leere Sandsäcke und ein Schreibfehler so einzigartig?

Episode 3 der Reise durch die Kulturerbe-Orte

19. April 2021

Das nördliche Oderbruch weist eine geografische Besonderheit auf: mitten im Odertal steigt die Landschaft auf bis zu 90 Meter über Null an. Die Erhebung, die Neuenhagener Insel, andere Namen bezeichnen sie auch als Neuenhagener Sporn, ist ein nach Westen gerichteter Ausläufer des polnischen Steilufers der Oder. Er wurde einst durch den Strom abgetrennt. Während der letzten Eiszeit lagerten sich dort zudem ausgedehnte Tonvorkommen ab. Ihre Entdeckung war der Grund für das Aufblühen der hiesigen Ziegeleiindustrie im 19. Jahrhundert. Aufmerksame Beobachter finden in der Region einstige Tongruben, einige heute Badeseen, oder gar Ruinen von Ziegeleien, wie zum Beispiel die Dornbusch-Ziegelei zwischen Bad Freienwalde und Altglietzen. Von ihr sind noch die Brennkammern und, schon von weitem, der Schornstein zu sehen. Anders als die Ziegelei in Altglietzen scheint sie dem Verfall preisgegeben.

Grab Fontanes Vater in Neutornow © Oderbruch Museum Altranft - Michael Anker

Damit wären wir am ersten von vier Kulturerbe-Orten auf der Neuenhagener Insel angekommen: Der Hoffmannsche Ringofen in Altglietzen wurde 1878 errichtet und bis in die Mitte der 1980er Jahre betrieben. Zwar werden seit Mitte der 1990er Jahre auf dem Gelände wieder Formziegel hergestellt, allerdings nicht im historischen Ringofen. Inzwischen beherbergt das technische Denkmal ein kleines sehenswertes Museum zur Geschichte und Tradition der Ziegeleiindustrie der Region. Ein 2006 gegründeter Förderverein bemüht sich um den Erhalt des bis 2012 sanierten Denkmals. Bei einer Führung erfährt man Wissenswertes über das von Friedrich Eduard Hoffmann entwickelte Prinzip des modernen Ziegelbrennens. Der Ingenieur hatte seine Erfindung 1859 zum Patent angemeldet. Der Besuch des Ringofesn in Altglietzen ist eine Reise durch regionale Industriegeschichte.

Gut drei Kilometer südlich von Altglietzen erreichen wir die Dorfkirche von Neutornow. Was macht sie zum Kulturerbe-Ort? Unter anderem eine besondere Grabstätte. Am Fuß der Kirche, mit einer wunderschönen Aussicht über das Oderbruch, fand der Vater des märkischen Dichters Theodor Fontane seine letzte Ruhestätte.

Und ein andrer Platz, dem verbunden ich bin
Berglehnen, die Oder fließt dran hin,

zieht vorüber in trägem Lauf,
gelbe Mummeln schwimmen darauf.

Am Ufer Werft und Schilf und Rohr,
und am Abhange schimmern Kreuze hervor,

auf eines fällt heller Sonnenschein, –
da hat mein Vater seinen Stein.

Theodor Fontane, aus seinem Gedicht „Meine Gräber“

Jener Stein birgt ein kleines Geheimnis: Louis Henri Fontane, der Vater-Name, wurde in seiner Zeit wahrscheinlich französisch ausgesprochen. Möglicherweise ist dies der Grund, der den Steinmetz zu einem Schreibfehler auf dem Grabstein verführte. Finden Sie es heraus!

Grabstein Louis Henri Fontane Neutornow© Seenland Oder-Spree / Sandra Haß

Neobarocke Elemente und ein Vorgriff auf den preußischen Klassizismus prägen Form und Baustil der 1770 errichteten Neutornower Kirche. Allerdings stand das Gebäude anfangs ohne Turm am Berghang. Auf ihn musste die Gemeinde mehr als einhundert weitere Jahre warten. Ursprünglich beherbergte die Kirche eine Orgel der bekannten Berliner Firma Lange und Dinse. Nach einem Brand am Bußtag 1929 war sie nicht mehr bespielbar. Ersatz fand sie in den 1950er Jahren durch eine Orgel des Eberswalder Orgelbauers Gerbich. Ihre Pfeifen sind durch mit Stoff bespannten Holzrahmen verkleidet. Am Gewebe, wie auch an der Orgel, nagte mit den Jahren der Zahn der Zeit. Nach der letzten Restaurierung des Orgelwerkes entstand der Wunsch, auch die alte Bespannung zu erneuern. Dafür wurde nicht auf irgendein Gewebe zurückgegriffen, sondern auf ein im Oderbruch sehr symbolträchtiges. „Das große Oder-Hochwasser 1997 ließ den Deich brechen und überschwemmte Teile des Oderbruchs. Die vom Wasser aufgeweichten Deichabschnitte wurden damals unter großen Mühen und Gefahren mit Sandsäcken gesichert. Nachdem die Flut gebändigt war, blieben Säcke übrig die nicht mehr befüllt werden mussten“, erzählt Johanna Lukas. „Sie fanden Verwendung in der Orgel-Verkleidung.“ Eine schöne Anekdote und ein Beweis für den Pragmatismus der Oderbrücher.

Johanna Lukas führt uns hoch auf den Kirchturm zum mechanischen Uhrwerk und zieht die Turmuhr per Hand auf. Drei Familien aus Neutornow teilen sich diesen Dienst und regelmäßig steigt einer aus ihrem Kreis die vielen Holzstufen des Turms hinauf, um das Räderwerk am Laufen zu halten.

Den Berghang hinab, einige Schritte die Straße entlang und wir stehen vor einem weiteren Kulturerbe-Ort, dem 1895 erbauten Neutornower Schöpfwerk. Im Ensemble mit den Wohnhäusern der Schöpfwerksmeister, gilt es als bedeutsames technikgeschichtliches Zeugnis des Hochwasserschutzes im Oderbruch. Es kann in der Regel nur von außen besichtigt werden.

Zurück zu den Fontanes: Bevor Louis Henri Fontane in Neutornow begraben wurde, verbrachte er die letzten Lebensjahren mit seiner Haushälterin im Nachbarort Schiffmühle. Anlässlich des 200. Geburtstages seines Sohnes Theodor im Jahr 2019, wurde das Vaterhaus renoviert und mit einer zeitgemäßen Ausstellung wiedereröffnet. Seither hat der vierte Kulturerbe-Ort auf der Neuenhagener Insel viele tausend Besucher gezählt. Lesen Sie mehr über diesen Ort in Episode vier der Reise durch die Kulturerbe-Orte.

Weitere Informationen über das Oderbruch Museum und das Kulturerbe im Oderbruch finden Sie hier.

Die Schiffer und die Fischer des Oderbruchs

Im Norden des Oderbruchs verlässt der größte Teil des Wassers den Flusspolder stromab in Richtung Ostsee. Nachdem die Alte Oder den Neuenhagener Sporn umrundet und dabei Oderberg passiert hat, ergießt sie sich hinter Hohensaaten in die Strom-Oder. Anschaulich wird das Wassersystem des Bruchs an einem Modell im Oderbruch-Museum Altranft dargestellt. Wenn auch weite Teile dieser Landschaft vorwiegend agrarwirtschaftlich geprägt wurden, so lässt sich in zwei Kulturerbe-Orten, Hohensaaten und Oderberg, eine langjährige Tradition von Fischern und Schiffern nachspüren.

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Das Haus von Theodors Vater

In seinem Buch „Meine Kinderjahre“ beschreibt Theodor Fontane den letzten Besuch bei seinem Vater Louis Henri. Im Sommer 1867 gehen die beiden noch am Hang über dem Häuschen spazieren, essen gemeinsam Kalbsbrust, scherzen und reden über dies und das. Als Theodor im Oktober desselben Jahres wieder nach Schiffmühle kommt liegt sein Vater bereits in Neutornow begraben.

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Seenlandentdecker Michael

freiberuflicher Fotograf und Texter

In meiner Kindheit verbrachte ich viele glückliche Sommer bei meinen Großeltern im Oderbruch. Die Landschaft mit ihrem weiten Blick, die Ruhe und die Faszination des großen Flusses haben mich seitdem nicht mehr losgelassen. Derzeit bin auf der Suche nach den Spuren kulturellen Erbes der Menschen entlang der Oder.

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