© Oderbruchmuseum / Michael Anker

Begleite uns

auf eine Reise in das Oderbruch

Nobelpreisträger und Künstler in Seelow

Episode 16 der Reise durch die Kulturerbe-Orte

19. September 2022

Die Reise durch die Kulturerbe-Orte hält immer wieder Überraschungen bereit. Wer hätte gedacht, dass es am Rande des Oderbruchs einen Ort gibt, in dem das Who is who der Weimarer Republik ein- und ausging. Zu den Gästen des Schweizerhauses gehörten Nobelpreisträger, Künstler oder Politiker aus dem nahen Berlin. Zum Freundeskreis des Eigentümers Hugo Simon zählten unter anderem Albert Einstein, Rudolf Breitscheid, Otto Braun, Gerhard Hauptmann, Aristide Maillol, Erich Maria Remarque, Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky, Max Liebermann, der Verleger S. Fischer oder Walter Rathenau. Max Reinhardt, Max Slevogt, Else Lasker-Schüler, Tilla Dyrieux hielten sich dort ebenfalls als Gäste des Berliner Bankiers auf. Im Gästebuch des Schweizerhauses finden sich auch die Namen von Heinrich und Thomas Mann, Alfred Döblin, Franz Ullstein oder Max Pechstein. Besuchen wir also diesen besonderen Kulturerbe-Ort: das Schweizerhaus mit den Simonschen Anlagen in Seelow. 

Transformatorenhaus © Oderbruchmuseum / Michael Anker

In der Nähe der Gedenkstätte Seelower Höhen führt ein unscheinbarer Weg zum Schweizerhaus. Die unspektakuläre Anfahrt lässt nichts von dem erahnen, was sich hier an Geschichte verbirgt. Uwe Trzewik vom 2007 gegründeten „Heimatverein Schweizerhaus Seelow e.V.“ erwartet uns schon. Er wird uns durch die Anlage führen. Eine Führung mit ihm ist unbedingt empfehlenswert.

Bevor der Berliner Bankier Hugo Simon 1919 das Schweizerhaus kaufte, beherbergte das Gebäude ein Ausflugslokal mit Eiskeller, Biergarten und Konzertbühne. Simon hatte weitere Nebengebäude miterworben und kaufte zudem umliegendes Land, um ein landwirtschaftliches Mustergut zu errichten. „Hugo Simon entstammte einer jüdischen Familie, war Sozialdemokrat und Pazifist, kurzzeitig Finanzminister sowie der Gründer einer Berliner Privatbank. Er galt zudem als engagierter Kunstmäzen und nahm als Mitglied der Ankaufskommission Einfluss auf die Erwerbspolitik der Berliner Nationalgalerie. Das Schweizerhaus kaufte er als Wochenend- und Sommersitz und baute es nach seinen Vorstellungen um“, erzählt Uwe Trzewik. Simon hätte aber nur etwa 14 Jahre lang Freude an der Anlage gehabt. Im März 1933 sei Simon, nach der Machtübernahme der Nazis, über die Schweiz nach Paris emigriert. Im Oktober 1933 wurde sein Anwesen konfisziert und fünf Jahre später wurden ihm alle bürgerlichen Rechte aberkannt. Mit einer tschechischen Identität ausgestattet, sei er 1941 über Portugal nach Brasilien ausgereist. Hugo Simon verstarb 1950 in Sao Paulo. Sein Anwesen bei Seelow hatte er nie wiedergesehen.

Duplikat des Hirschebers© Oderbruchmuseum / Michael Anker

Simon verband sein Interesse an Landwirtschaft mit seiner Vorliebe für Kunst und Kultur. Kunstwerke aufstrebender Künstler ließ er im Park aufstellen, zum Beispiel Renée Sintenis „Esel von Seelow“, oder Arthur Storchs Porzellanplastik „Hirscheber“. Beide Figuren stehen heute im Schweizerhaus, wobei der Hirscheber nur noch in Fragmenten existiert. Ihm wurde aber ein weiteres Original zur Seite gestellt. „Glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass dieses Exemplar auf einer Kunst-Auktion erworben werden konnte“, so Heimatforscher Trzewik. Die sogenannten Simonschen Anlagen um das Schweizerhaus entwickelte der Hausherr, gemeinsam mit dem Gartenbaudirektor Alfred Kutta, zu einem Mustergut. Es sollte dem Edelobstanbau und Gemüsepflanzungen dienen. Dazu wurden unter anderem Terrassen angelegt. „Die Simonsche Landwirtschaft umfasste eine Geflügelfarm sowie die Kaninchen-, Schweine- und Waschbärenzucht.

Freigelegte Treppen und Pergolen© Oderbruchmuseum / Michael Anker

Seine züchterischen Erfolge bei Rassekaninchen führten sogar zu Prämierungen auf der Berliner Grünen Woche“, weiß Uwe Trzewik zu berichten. Im Park sei der vergrößerte Nachbau von Goethes Weimarer Gartenhaus als Verwalterhaus für Kutta entstanden. „Im Parterre waren Wirtschaftsräume untergebracht, Kutta bewohnte die erste Etage, darüber waren bescheidene Gästezimmer untergebracht, mit denen sich auch seine hochrangigen Besucher begnügen mussten.“ Die Simonschen Anlagen hätten zudem eine Orangerie nach dem Vorbild von Schloss Sanssouci, Wohnhäuser und ein Bienenhaus für über 50 Bienenvölker besessen. Zur Stromversorgung hatte man ein Transformatorenhaus mit arkadenartigem Rundgang errichtet. Die Fundamente der Orangerie wurden wieder freigelegt, vom Bienenhaus sind nur noch Reste erhalten, während das Transformatorenhaus bereits restauriert ist. 

Erst vor etwa zwölf Jahren holten die Mitglieder des Heimatvereins die Anlage aus einem 20-jährigen Dornröschenschlaf. Sie lichteten den Wildwuchs, legten Stützmauern, Pergolen und Treppen aus Naturstein frei und öffneten die alten Sichtachsen im Park. Uwe Trzewik hat alte Fotos aus dieser Zeit parat, die zeigen, welchen Kraftaufwand der Heimatverein bisher aufbrachte. Besucher können heute bei einem Rundgang über die Anlage nachspüren, wie das Gut einst ausgesehen hat. Sie sollten sich Zeit mitbringen. 

Schweizerhaus Seelow, Am Schweizerhaus 1-5, 15306 Seelow, Tel. 03346 4291910 
www.heimatverein-seelow.de. Eingeschränkte Öffnungszeiten!

Weitere Informationen über das Oderbruch Museum und das Kulturerbe im Oderbruch finden Sie hier.

Der versteckte König

In dieser Episode, in Letschin, stoßen wir wieder auf zwei bekannte Namen, Fontane und Friedrich den Großen, sowie auf einen weit zurückliegenden Mord. Vorerst besuchen wir aber einen weiteren Kulturerbe-Ort, die Letschiner Heimatstuben. Am Eingang des alten Fachwerkhauses warten bereits dessen Leiter Edgar Petrick und die Vorsitzende des Heimatvereins, Gabriele Axmann, um uns durch die Sammlung zu führen und spannende Geschichten zur Entwicklung Letschins zu erzählen.

Jetzt weiter lesen!

Zwei Fahrstühle ins Oderbruch

Schon von Weitem sind sie zu sehen, die beiden Kolosse von Niederfinow. Das alte und das neue, erst im Oktober 2022 eröffnete, Schiffshebewerk. Die beiden gigantischen Fahrstühle befördern Güter- und Passagierschiffe vom 36 Meter höher gelegenen Oder-Havel-Kanal ins Oderbruch oder zurück. Anlässlich der Übergabe des Neubaus, wurde dem alten Hebewerk die Ehre zuteil, zum Kulturerbe-Ort des Oderbruchs erhoben zu werden. Das zuvor bereits zum technischen Denkmal erklärte alte Schiffshebewerk ist das älteste noch in Betrieb befindliche Deutschlands. Mindestens weitere fünf Jahre lang soll das auch so bleiben. Die Seniorin aus Stahl bleibt in Reserve, falls ihrem Sprössling aus Beton mal unwohl sein sollte. Eine sinnvolle Entscheidung, denn bereits die Niederkunft des Neuen war mit allerlei Geburtswehen verbunden.  

Jetzt weiter lesen!

Seenlandentdecker Michael

freiberuflicher Fotograf und Texter

In meiner Kindheit verbrachte ich viele glückliche Sommer bei meinen Großeltern im Oderbruch. Die Landschaft mit ihrem weiten Blick, die Ruhe und die Faszination des großen Flusses haben mich seitdem nicht mehr losgelassen. Derzeit bin auf der Suche nach den Spuren kulturellen Erbes der Menschen entlang der Oder.

Sie benutzen offenbar den Internet Explorer von Microsoft als Webbrowser, um sich unsere Internetseite anzusehen.

Aus Gründen der Funktionalität und Sicherheit empfehlen wir dringend, einen aktuellen Webbrowser wie Firefox, Chrome, Safari, Opera oder Edge zu nutzen. Der Internet Explorer zeigt nicht alle Inhalte unserer Internetseite korrekt an und bietet nicht alle ihre Funktionen.