© Oderbruchmuseum / Michael Anker

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auf eine Reise in das Oderbruch

Tsebrakhene Shtiker – Bruchstücke

Episode 19 der Reise durch die Kulturerbe-Orte

12. Januar 2023

Seit mehr als einhundert Jahren hat es dort scheinbar keine Beisetzungen mehr gegeben, trotzdem ist der kleine jüdische Friedhof in Groß Neuendorf gut gepflegt. Die Friedhofsanlage und die 24 erhaltenen Grabsteine wurden in den Jahren von 1992 bis 1994 restauriert. Dieser Kulturerbe-Ort ist ein Teil der jüdischen Geschichte im Oderbruch. Der Friedhof liegt etwas abseits des Dorfes und ist von hohen Eichen umstanden. Wegweiser lassen ihn leicht finden. Die Anlage ist mit einer Feldstein-Mauer eingefasst und bildet ein Rechteck von zirka 15 x 16 Metern. Das schmiedeeiserne Tor, das eine Menora zeigt, ist unverschlossen, sodass einem Besuch nichts im Wege steht.

Lichtspiele auf den Grabsteinen© Oderbruchmuseum / Michael Anker

„In Groß Neuendorf und dem nahe gelegenen Letschin gab es erst seit 1853 eine eigenständige jüdische Gemeinde. In der Zeit davor hatten sich die wenigen jüdischen Familien, die hier oder in den umliegenden Dörfern wohnten, den Gemeinden in den nahegelegenen Städten angeschlossen, besonders der in Wriezen. Die Inschrift auf dem Grabstein von Michael Sperling weist diesen als Initiator für die Gründung der offiziellen jüdischen Gemeinde Letschin/Groß Neuendorf und auch des Friedhofs aus. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts schlossen sich die, in Letschin und den umliegenden Orten wohnenden, Juden zu einer zunächst privaten Gemeinschaft zusammen. Im Jahr 1855 wurde für die damals noch in Letschin ansässige Gemeinde das Statut beschlossen und genehmigt. Der Synagogenbezirk, für den die Gemeinde zuständig sein sollte, wird darin mit dem „Polizei-Bezirk des Domainen-Amtes Wollup“ beschrieben. Mitglieder lebten außer in Letschin und Groß Neuendorf noch in den Dörfern Klein Neuendorf, Kienitz, Gerickenberg, Sophiental und Ortwig“, schreibt Brigitte Heidenhain auf der Website der Uni Potsdam: https://www.uni-potsdam.de/de/juedische-friedhoefe/friedhof-gross-neuendorf. Dort findet man im Projekt „Jüdische Friedhöfe in Brandenburg“ umfangreiche weiterführende Informationen. 

Christiane Wartenberg, Künstlerin aus Neubarnim, reflektiert in ihrer Arbeit bereits seit längerem den jüdischen Friedhof in Groß Neuendorf. Mit „Makom Tov – Guter Ort“ präsentiert sie 2021 ein interdisziplinäres Kunstprojekt von sechs Künstlerinnen und Künstlern auf ihrem Loose-Hof. Es ist eine Hommage an den kleinen Friedhof, der nur etwa fünf Kilometer von ihrem Atelier entfernt liegt. Die Bildhauerin betrachtet alles in der Welt als Skulptur und zeigt sich begeistert davon, wie der kleine Friedhof in die Natur eingepasst ist. Zur „Nachkriegsgeneration“ gehörend, sehe sie sich in der Verantwortung, diese Kultur zu bewahren.

Zeichnungen von Christiane Wartenberg© Oderbruchmuseum / Michael Anker

Ein Jahr später führte ihre Spurensuche sie auf die polnische Seite der Oder, in die Wojewodschaft Lubuskie. Gemeinsam mit Karla Sachse und dem Fotografen Stefan Schick besuchte sie dreizehn jüdische Friedhöfe der ehemaligen Preußischen Provinz Brandenburg, im heutigen Polen. Das sei eine ziemlich ambivalente Reise gewesen, denn was sie vorfanden, empfanden die drei Künstler oft als verstörend: zum Teil überbaute, fast ganz verschwundene oder nur noch in Bruchstücken vorhandene Orte. „Die letzten Zeugnisse jahrhundertealter jüdischer Kultur oft vergessen, in verwahrlostem oder meist mutwillig zerstörtem Zustand“, so Karla Sachse.

„Tsebrakhene Shtiker – Bruchstücke“ heißt das daraus entstandene künstlerische Projekt. Vorgestellt wurde es im Dezember 2022 auf dem Loose-Hof von Christiane Wartenberg. Die multimediale Lesung von Karla Sachse aus ihren Aufzeichnungen zu jüdischen Trauer- und Beerdigungsriten wurde von Christiane Wartenbergs und Stefan Schicks Video-Collage „Kein Stein ist stumm“ begleitet. Zu sehen sind darin herausgerissene und verschwundene Schrifttafeln in der Grablegemauer des jüdischen Friedhofs von Gorzów, die virtuell mit Zitaten aus einer Erzählung von Zvi Kolitz ersetzt wurden. Karla Sachse stellte zudem ihre detaillierten Wegbeschreibungen zu den Friedhöfen vor. Für das Jahr 2023 ist geplant, beide künstlerische Projekte „Makom Tov – Guter Ort“ und „Tsebrakhene Shtiker – Bruchstücke“ im Museum von Międzyrzecz in Polen auszustellen.

Jüdischer Friedhof in Groß Neuendorf, Parkweg 5, 15324 Letschin OT Groß Neuendorf

Weitere Informationen über das Oderbruch Museum und das Kulturerbe im Oderbruch finden Sie hier.

Zwei Fahrstühle ins Oderbruch

Schon von Weitem sind sie zu sehen, die beiden Kolosse von Niederfinow. Das alte und das neue, erst im Oktober 2022 eröffnete, Schiffshebewerk. Die beiden gigantischen Fahrstühle befördern Güter- und Passagierschiffe vom 36 Meter höher gelegenen Oder-Havel-Kanal ins Oderbruch oder zurück. Anlässlich der Übergabe des Neubaus, wurde dem alten Hebewerk die Ehre zuteil, zum Kulturerbe-Ort des Oderbruchs erhoben zu werden. Das zuvor bereits zum technischen Denkmal erklärte alte Schiffshebewerk ist das älteste noch in Betrieb befindliche Deutschlands. Mindestens weitere fünf Jahre lang soll das auch so bleiben. Die Seniorin aus Stahl bleibt in Reserve, falls ihrem Sprössling aus Beton mal unwohl sein sollte. Eine sinnvolle Entscheidung, denn bereits die Niederkunft des Neuen war mit allerlei Geburtswehen verbunden.  

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Tsebrakhene Shtiker – Bruchstücke

Mehrfach sind wir auf unserer Reise durch die Kulturerbe-Orte des Oderbruchs auf Kuriositäten oder ungewöhnlich interessante Dinge gestoßen. Im Dorfmuseum in Neuhardenberg werden Alltagsgegenstände aus der wechselvollen Geschichte des Ortes gezeigt. Unter ihnen ein Exponat, welches normalerweise wenig Beachtung finden würde.

Die Mundharmonika aus dem All

Seenlandentdecker Michael

freiberuflicher Fotograf und Texter

In meiner Kindheit verbrachte ich viele glückliche Sommer bei meinen Großeltern im Oderbruch. Die Landschaft mit ihrem weiten Blick, die Ruhe und die Faszination des großen Flusses haben mich seitdem nicht mehr losgelassen. Derzeit bin auf der Suche nach den Spuren kulturellen Erbes der Menschen entlang der Oder.

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