Die Reise durch die Kulturerbe-Orte h\u00e4lt immer wieder \u00dcberraschungen bereit. Wer h\u00e4tte gedacht, dass es am Rande des Oderbruchs einen Ort gibt, in dem das Who is who der Weimarer Republik ein- und ausging. Zu den G\u00e4sten des Schweizerhauses geh\u00f6rten Nobelpreistr\u00e4ger, K\u00fcnstler oder Politiker aus dem nahen Berlin. Zum Freundeskreis des Eigent\u00fcmers Hugo Simon z\u00e4hlten unter anderem Albert Einstein, Rudolf Breitscheid, Otto Braun, Gerhard Hauptmann, Aristide Maillol, Erich Maria Remarque, Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky, Max Liebermann, der Verleger S. Fischer oder Walter Rathenau. Max Reinhardt, Max Slevogt, Else Lasker-Sch\u00fcler, Tilla Dyrieux hielten sich dort ebenfalls als G\u00e4ste des Berliner Bankiers auf. Im G\u00e4stebuch des Schweizerhauses finden sich auch die Namen von Heinrich und Thomas Mann, Alfred D\u00f6blin, Franz Ullstein oder Max Pechstein. Besuchen wir also diesen besonderen Kulturerbe-Ort: das Schweizerhaus mit den Simonschen Anlagen in Seelow.
\r\nIn der N\u00e4he der Gedenkst\u00e4tte Seelower H\u00f6hen f\u00fchrt ein unscheinbarer Weg zum Schweizerhaus. Die unspektakul\u00e4re Anfahrt l\u00e4sst nichts von dem erahnen, was sich hier an Geschichte verbirgt. Uwe Trzewik vom 2007 gegr\u00fcndeten \u201eHeimatverein Schweizerhaus Seelow e.V.\u201c erwartet uns schon. Er wird uns durch die Anlage f\u00fchren. Eine F\u00fchrung mit ihm ist unbedingt empfehlenswert.
\r\nBevor der Berliner Bankier Hugo Simon 1919 das Schweizerhaus kaufte, beherbergte das Geb\u00e4ude ein Ausflugslokal mit Eiskeller, Biergarten und Konzertb\u00fchne. Simon hatte weitere Nebengeb\u00e4ude miterworben und kaufte zudem umliegendes Land, um ein landwirtschaftliches Mustergut zu errichten. \u201eHugo Simon entstammte einer j\u00fcdischen Familie, war Sozialdemokrat und Pazifist, kurzzeitig Finanzminister sowie der Gr\u00fcnder einer Berliner Privatbank. Er galt zudem als engagierter Kunstm\u00e4zen und nahm als Mitglied der Ankaufskommission Einfluss auf die Erwerbspolitik der Berliner Nationalgalerie. Das Schweizerhaus kaufte er als Wochenend- und Sommersitz und baute es nach seinen Vorstellungen um\u201c, erz\u00e4hlt Uwe Trzewik. Simon h\u00e4tte aber nur etwa 14 Jahre lang Freude an der Anlage gehabt. Im M\u00e4rz 1933 sei Simon, nach der Macht\u00fcbernahme der Nazis, \u00fcber die Schweiz nach Paris emigriert. Im Oktober 1933 wurde sein Anwesen konfisziert und f\u00fcnf Jahre sp\u00e4ter wurden ihm alle b\u00fcrgerlichen Rechte aberkannt. Mit einer tschechischen Identit\u00e4t ausgestattet, sei er 1941 \u00fcber Portugal nach Brasilien ausgereist. Hugo Simon verstarb 1950 in Sao Paulo. Sein Anwesen bei Seelow hatte er nie wiedergesehen.
\r\nSimon verband sein Interesse an Landwirtschaft mit seiner Vorliebe f\u00fcr Kunst und Kultur. Kunstwerke aufstrebender K\u00fcnstler lie\u00df er im Park aufstellen, zum Beispiel Ren\u00e9e Sintenis \u201eEsel von Seelow\u201c, oder Arthur Storchs Porzellanplastik \u201eHirscheber\u201c. Beide Figuren stehen heute im Schweizerhaus, wobei der Hirscheber nur noch in Fragmenten existiert. Ihm wurde aber ein weiteres Original zur Seite gestellt. \u201eGl\u00fccklichen Umst\u00e4nden ist es zu verdanken, dass dieses Exemplar auf einer Kunst-Auktion erworben werden konnte\u201c, so Heimatforscher Trzewik. Die sogenannten Simonschen Anlagen um das Schweizerhaus entwickelte der Hausherr, gemeinsam mit dem Gartenbaudirektor Alfred Kutta, zu einem Mustergut. Es sollte dem Edelobstanbau und Gem\u00fcsepflanzungen dienen. Dazu wurden unter anderem Terrassen angelegt. \u201eDie Simonsche Landwirtschaft umfasste eine Gefl\u00fcgelfarm sowie die Kaninchen-, Schweine- und Waschb\u00e4renzucht.
\r\nSeine z\u00fcchterischen Erfolge bei Rassekaninchen f\u00fchrten sogar zu Pr\u00e4mierungen auf der Berliner Gr\u00fcnen Woche\u201c, wei\u00df Uwe Trzewik zu berichten. Im Park sei der vergr\u00f6\u00dferte Nachbau von Goethes Weimarer Gartenhaus als Verwalterhaus f\u00fcr Kutta entstanden. \u201eIm Parterre waren Wirtschaftsr\u00e4ume untergebracht, Kutta bewohnte die erste Etage, dar\u00fcber waren bescheidene G\u00e4stezimmer untergebracht, mit denen sich auch seine hochrangigen Besucher begn\u00fcgen mussten.\u201c Die Simonschen Anlagen h\u00e4tten zudem eine Orangerie nach dem Vorbild von Schloss Sanssouci, Wohnh\u00e4user und ein Bienenhaus f\u00fcr \u00fcber 50 Bienenv\u00f6lker besessen. Zur Stromversorgung hatte man ein Transformatorenhaus mit arkadenartigem Rundgang errichtet. Die Fundamente der Orangerie wurden wieder freigelegt, vom Bienenhaus sind nur noch Reste erhalten, w\u00e4hrend das Transformatorenhaus bereits restauriert ist.
\r\nErst vor etwa zw\u00f6lf Jahren holten die Mitglieder des Heimatvereins die Anlage aus einem 20-j\u00e4hrigen Dornr\u00f6schenschlaf. Sie lichteten den Wildwuchs, legten St\u00fctzmauern, Pergolen und Treppen aus Naturstein frei und \u00f6ffneten die alten Sichtachsen im Park. Uwe Trzewik hat alte Fotos aus dieser Zeit parat, die zeigen, welchen Kraftaufwand der Heimatverein bisher aufbrachte. Besucher k\u00f6nnen heute bei einem Rundgang \u00fcber die Anlage nachsp\u00fcren, wie das Gut einst ausgesehen hat. Sie sollten sich Zeit mitbringen.
\r\nSchweizerhaus Seelow, Am Schweizerhaus 1-5, 15306 Seelow, Tel. 03346 4291910
www.heimatverein-seelow.de. Eingeschr\u00e4nkte \u00d6ffnungszeiten!
Weitere Informationen \u00fcber das Oderbruch Museum und das Kulturerbe im Oderbruch findest du hier.
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